Kanalisation und Behandlung von Misch- und Niederschlagswasser
Aktuelles
- Veranstaltung »Planung, Zustandsbewertung, Havarievorsorge bei Abwasserdruckleitungen« Vorträge der Veranstaltung am 04.11.2024 im LfULG Nossen
Kanalisation
Die Kanalisation dient der Sammlung und unterirdischen Ableitung von Schmutz- und Regenwasser. Mit gut funktionierenden und dichten Kanälen kann eine umweltgerechte Abwasserableitung abgesichert werden. Schäden und Undichtigkeiten an Kanälen können, solange sie unbemerkt bleiben und nicht behoben werden, zu Abwasseraustritt in den Boden und das Grundwasser führen. Andererseits können schadhafte Kanäle zum Eintritt von Grundwasser in die Kanalisation führen und so das gesamte Entwässerungs- und Abwasserbehandlungssystem belasten.
Für Abwasserkanäle und –leitungen werden regelmäßige Überprüfungen zum Anlagenzustand und zur Funktionssicherheit, insbesondere zur Dichtheit, verlangt. Die sächsische Eigenkontrollverordnung vom 7. Oktober 1994 regelt die Anforderungen, welche an die Eigenkontrollpflichten gestellt werden.
Bei der Kanalisation wird grundlegend zwischen zwei Verfahren unterschieden – dem Mischsystem (Mischkanalisation) und dem Trennsystem (Trennkanalisation).
- Mischsystem: Beim Mischsystem werden Schmutz- und Niederschlagswasser in einem gemeinsamen Kanal abgeführt. Regenwasser gelangt dabei über Straßeneinläufe und über Fallrohre der Dachentwässerungen in den Kanal. Es wird mit dem Schmutzwasser, welches aus Haushalten oder Industrie- und Gewerbebetrieben stammt, vermischt. Diese Mischung aus Schmutzwasser und Regenwasser, und zusätzlich oft auch Fremdwasser, gelangt als „Abwasser“ zur Kläranlage. Mischsysteme sind meist so dimensioniert, dass bei intensiven sowie langanhaltenden Niederschlagsereignissen nicht das gesamte Abwasser bis zur Kläranlage geführt wird. Bei großen Regenmengen kann ein Teil des Abwassers, welches dann stark verdünnt ist, weil es vorwiegend aus Niederschlagswasser besteht, über besondere Überlaufbauwerke (Mischwasserentlastungsanlagen, in denen u. a. eine Zwischenspeicherung bzw. mechanische Reinigung des Mischwassers vor der Gewässereinleitung erfolgen kann) in ein Gewässer eingeleitet werden. Auf diese Weise wird eine Überlastung der Kanäle und der Kläranlage vermieden.
- Beim Trennsystem werden Schmutz- und Niederschlagswasser in getrennten Kanälen abgeleitet. Das Schmutzwasser (und ggfs. auch Fremdwasser) wird der Kläranlage zugeführt. Das getrennt in eigenen Regenwasserkanälen geführte Niederschlagswasser wird dem Gewässer zugeleitet. Eventuell kann es vor Einleitung in das Gewässer zwischengespeichert und mechanisch gereinigt werden. Für diesen Zweck werden Regenrückhaltebecken (nur Speicherung) oder Regenklärbecken (zusätzlich mechanische Reinigung) vorgesehen.
Kanalnetz in Sachsen
Die Gesamtlänge des öffentlichen Kanalnetzes zur zentralen Abwasserbeseitigung liegt aktuell bei 29.181 km. Dabei entfallen 9.842 km auf Mischkanalisationen und 19.339 km auf Trennkanalisationen. Die Trennkanalisation Sachsens besteht aus 12.655 km Schmutzwasserkanälen und 6.684 km Regenwasserkanälen. Bezogen auf die Kanallänge entfällt damit auf die Mischkanalisation ein Anteil von ca. 34 Prozent und auf die Trennkanalisation ein Anteil von ca. 66 Prozent (Schmutzwasserkanäle 43 Prozent und Regenwasserkanäle 23 Prozent).
Seit der letzten Erhebung des Statistischen Landesamtes vom Jahr 2016 ist die Gesamtlänge des Kanalsystems um etwa 4 % gewachsen.
An die öffentliche Kanalisation angeschlossen sind 3,792 Millionen Einwohner, das sind etwa 93,1% der Wohnbevölkerung des Freistaates. Damit beträgt die Länge der öffentlichen Kanalisation in Sachsen, bezogen auf jede(n) an die Kanalisation angeschlossenen Einwohner/-in, etwa 7,7 m.
In Sachsen werden insgesamt 1.564 Mischwasserentlastungsanlagen betrieben, davon 415 Regenüberlaufbecken und 207 Stauraumkanäle. Weiterhin gibt es aktuell etwa 900 Regenüberläufe.
Seit 1991 wurden in die öffentliche Abwasserbeseitigung in Sachsen ca. 10 Mrd. € investiert, wovon ca. 8 Mrd. € Fördermittel waren. Der größte Anteil der Investitionen, ca. 80 Prozent, entfällt auf die Kanalisation und zur Kanalisation gehörende Mischwasser- und Regenwasserbehandlungsanlagen und nur etwa 20 Prozent auf Kläranlagen.
Behandlung von Niederschlagswasser
Vorgaben zum Umgang mit niederschlagsbedingten Siedlungsabflüssen, die sich sowohl auf die Niederschlagswasserbehandlung im Mischsystem als auch im Trennsystem beziehen, sind in der seit Dezember 2020 gültigen Arbeits- und Merkblattreihe DWA-A/M 102 (BWK-A/M 3) »Grundsätze zur Bewirtschaftung und Behandlung von Regenwetterabflüssen zur Einleitung in Oberflächengewässer« enthalten.
Bei Einhaltung dieser Vorgaben kann davon ausgegangen werden, dass ein umweltgerechter Umgang mit niederschlagsbedingten Abflüssen in Siedlungsgebieten, unter Berücksichtigung der Zielvorgaben der EU-Wasserrahmenrichtlinie für oberirdische Gewässer, erfolgt.
Behandlung von Niederschlagswasser im Mischsystem
Bei intensiven Niederschlagsereignissen kann nicht das gesamte Mischwasser (Regenwasserabfluss + Trockenwetterabfluss) im Mischwasserkanal abgeleitet werden, da dies die hydraulische Leistungsfähigkeit der Kanalisation und vor allem der zugehörigen Kläranlage überschreiten würde. Aus diesem Grund müssen im Mischsystem Mischwasserentlastungs- und -behandlungsanlagen angeordnet werden. Dies sind in der Regel
- Regenüberläufe (RÜ) und
- Regenüberlaufbecken (RÜB).
RÜ haben die Aufgabe, bei intensiven Niederschlagsereignissen den Mischwasserabfluss in einen Drosselabfluss (im Mischwasserkanal hydraulisch weiterzuleitende Menge) und in einen Entlastungsabfluss (schadlos abführbare Einleitungsmenge in das Gewässer) aufzuteilen. RÜB haben zusätzlich zur Aufteilungsfunktion die Aufgabe, Mischwasser zwischenzuspeichern und zu behandeln, bevor der Entlastungsabfluss in ein Gewässer gelangt.
Die Bemessung der notwendigen Mischwasserentlastungsbauwerke im Einzugsgebiet einer Kläranlage erfolgt auf Grundlage der Arbeits- und Merkblattreihe DWA-A/M 102 (BWK-A/M 3). Auf dieser Basis ist zunächst die emissionsbezogene Bemessung der Mischwasserentlastungs- und -behandlungsanlagen (nach Arbeitsblatt DWA-A 102-2/BWK-A 3-2 - Teil 2) vorzunehmen. Dem Bemessungsvorgang schließt sich eine immissionsbezogene Bewertung der Mischwassereinleitungen (Entlastungsmengen und –frachten) für die Einleitgewässer an, zu der u. a. das Merkblatt DWA-M 102-3/BWK-M 3-3 herangezogen werden kann. Aus der immissionsbezogenen Bewertung ergibt sich, ob eine weitere Behandlung des Entlastungsabflusses (z. B. durch Bodenfilter) notwendig ist, um in den Einleitgewässern die Zielvorgaben der EU Wasserrahmenrichtlinie einzuhalten.
Behandlung von Niederschlagswasser im Trennsystem
Auch für Niederschlagswasser, welches im Trennsystem in Regenwasserkanälen gesammelt und abgeleitet wird, können sich vor Einleitung in ein Gewässer Maßnahmen zur Regenwasserrückhaltung und weiteren Behandlung ergeben.
Ob eine weitere Behandlung des Niederschlagswassers im Trennsystem vor Einleitung in ein Gewässer notwendig ist, kann auf Grundlage des Arbeitsblattes DWA-A 102-2/BWK-A 3-2 - Teil 2 entschieden werden. Mit Hilfe des Arbeitsblattes kann der Verschmutzungsgrad der Abflussflächen und damit des Niederschlagswassers im Regenwetterfall ermittelt werden. Auf dieser Grundlage kann abgeschätzt werden, ob das abfließende Niederschlagswasser gering belastet (Kategorie I), mäßig belastet (Kategorie II) oder stark belastet (Kategorie III) ist. Die Einleitung von Niederschlagswasser der Kategorie I kann grundsätzlich ohne Behandlung in ein Oberflächengewässer erfolgen. Niederschlagswasser, welches der Kategorie II und III zugeordnet werden muss, ist grundsätzlich vor Einleitung in ein Gewässer zu behandeln.
Die Behandlung des Niederschlagswassers im Trennsystem kann in zentralen Anlagen (z. B. Regenklärbecken) oder in dezentralen Anlagen (z. B. Anlagen mit Bodenpassage) erfolgen.